Seit dem 22.10.1998 dürfen PKW-Gespanne in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen mit 100 km/h anstelle der eigentlich geltenden 80 km/h gefahren werden. Dies betrifft auch Bootsanhänger und ist insofern ganz praktisch, weil die typischen Zugfahrzeuge für Bootsanhänger die Bedingungen in der Regel relativ leicht erfüllen. Hier eine Übersicht der 100 km/h Voraussetzungen.
Achtung: Diese Regelung gilt ausschließlich in Deutschland, im Ausland sind die jeweils national geltenden Regeln zu beachten. Desweiteren darfst Du, wenn Du die 100 km/h Voraussetzungen erfüllst, nicht einfach losfahren, sondern musst Dir beim örtlichen TÜV / DEKRA / GTÜ den Trailer entsprechend bestätigen lassen.
Kennzeichnung durch Aufkleber
Dazu gehört ein großer Aufkleber am Anhänger (eine schwarze 100 auf weißem Grund), der mit einem Siegel ähnlich dem TÜV-Aufkleber versehen wird. Erst dann darfst Du die 100 km/h auch wirklich fahren.
Früher – vor dem 07.10.2005 – wurden nur gesamte Gespanne abgenommen, und beide Bestandteile hatten einen Aufkleber (im Auto war das ein 6cm großes Siegel in der Windschutzscheibe). Die 100km/h-Freigabe galt auch nur für das jeweilige Gespann. Seit der Änderung (mit der unter anderem auch die Berücksichtigung von Schlingerdämpfern eingeführt wurde) wird die Freigabe für den Trailer erteilt, und es obliegt dem Fahrer, die Voraussetzungen (ABS im Zugfahrzeug und Massenverhältnisse) entsprechend zu berücksichtigen.
Geregelt ist das alles hier: in der neunten Verordnung über Ausnahmen von den Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung (9. Ausnahmeverordnung zur StVO).
die technischen 100 km/h Voraussetzungen
Folgende Bedingungen sind zu erfüllen:
- Zugfahrzeug ist ein mehrspuriges Fahrzeug mit zul. GG (zulässigem Gesamtgewicht) von maximal 3,5to
- Zugfahrzeug verfügt über ABS (Antiblockiersystem)
- Reifen des Anhängers max. 6 Jahre (Herstellungsdatum der Reifen)
- Wie erkenne ich das Alter?
Der Reifen trägt auf der Flanke einen Herstellercode, z. B. „CUNB A1B6 1204“, davon sind die letzten Stellen der Produktionszeitpunkt (die sog. DOT-Nummer). Seit 1.1.2000 ist der Code vierstellig, 2 Ziffern für die Woche, 2 für das Jahr, hier also bspw. KW12 des Jahres 2004. Ist der Code dreistellig mit einem Symbol daneben, handelt es sich um die alte Notation, und der Reifen ist aus dem letzten Jahrtausend und für die 100 km/h-Zulassung zu alt. Es zählt das „echte“ Alter des Reifens, nicht der Tag der Zulassung oder das Kaufdatum! Das ist deswegen kritisch, weil Hersteller und Gerichte sachgerecht gelagerte Reifen bis zu fünf Jahre (sic!) als Neureifen betrachten.
- Wie erkenne ich das Alter?
- Reifen des Anhängers mind. Geschwindigkeitsindex („GSY“) L (120 km/h)
- nur bei gebremsten Anhängern: hydraulische Stoßdämpfer sind Pflicht (ansonsten gilt er in Bezug auf die 100km/h-Regelung als ungebremst, s.u.)
Darüber hinaus muss ein Reifen immer, nicht nur für die 100-km/h-Zulassung, einen ausreichenden Tragfähigkeitsindex (LI = Load Index) aufweisen. Abhängig von der Zahl der Achsen berechnet sich aus dem zulässigen Gesamtgewicht des Trailers der notwendige Load Index, beispielsweise bei einem 2-to-Tandemtrailer (= 4 Reifen) also mindestens LI 84. Der LI darf natürlich jederzeit übererfüllt werden. Die Bezeichnung „Reinforced“ bezeichnet besonders tragfähige Reifen, aber auch bei denen zählt allein der Load Index.
Das war der einfache Teil, den man mit Mal-eben-in-der-Garage-gucken klären kann. Eine weitere Forderung betrifft die Gewichte der beteiligten Fahrzeuge. Weil das ein bisschen tricky ist, habe ich einen entsprechenden Rechner integriert.
100 km/h Voraussetzungen: Massenverhältnisse in der Theorie
Die Anforderungen lesen sich wie folgt:
- ungebremste Anhänger
- Massenverhältnis von zul. Gesamtgewicht Anhänger zu Leergewicht Zugfahrzeug maximal 0,3 : 1
- dabei aber zul. Gesamtgewicht Anhänger nie größer als die ungebremste Anhängelast des Zugfahrzeugs
- dabei aber zul. Gesamtgewicht Anhänger nie größer als das zulässige Gesamtgewicht des Zugfahrzeugs
- gebremste Anhänger
- Massenverhältnis von zul. Gesamtgewicht Anhänger zu Leergewicht Zugfahrzeug maximal 1,1 : 1 (Wohnwagen: 0,8 : 1)
- Massenverhältnis von zul. Gesamtgewicht Anhänger zu Leergewicht Zugfahrzeug bei montiertem Schlingerdämpfer oder einem Zugfahrzeug mit einem „speziellen fahrdynamischen Stabilitätssystem für den Anhängerbetrieb“ maximal 1,2 : 1 (Wohnwagen: 1 : 1)
- dabei aber zul. Gesamtgewicht Anhänger nie größer als die gebremste Anhängelast des Zugfahrzeugs
- dabei aber zul. Gesamtgewicht Anhänger nie größer als das zulässige Gesamtgewicht des Zugfahrzeugs
Hallo, ich bin bzgl. des Faktors 0,3 bzw. 1,1 anderer Meinung. Die Texte, die ich diesbzgl gefunden habe, weisen meiner Lesart nach alle darauf hin, daß Faktor 0,3 auch für gebremste Anhänger gilt, soweit kein hydraulischer Schwingungsdämpfer vorhanden.
Beispiele:
>http://www.dekra.de/de/tempo-100-fuer-gespannehttp://www.tuev-nord.de/de/checks-und-untersuchungen/100kmh-zulassung-2618.htm
Das ist definitiv so – deswegen steht bei den technischen Voraussetzungen auch der hydraulische Dämpfer. Aber es ist in der Tat unglücklich formuliert: Ein gebremster Anhänger ohne hydraulische Dämpfer fällt nicht komplett aus der 100km/h-Regelung heraus, sondern unterliegt den gleichen Bedingungen wie ein ungebremster. Ich habe das mal angepasst.
Etwas anderes ist die Schlingerdämpfung. Diese (i.d.R. nicht hydraulisch, sondern entweder mechanisch am Kugelkopf oder elektronisch im Steuergerät des Zugfahrzeugs („Anhänger-ABS“)) erhöht den Faktor um 0,1 resp. 0,2 für gebremste Anhänger.
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Hallo,
in den Technischen Daten meines evtl. zukünftigen Zugfahrzeuges steht bei Anhängelast 1800/2000 kg bei 12%/8%.
Der Anhänger hat ein zgG von 2000kg.
\“dabei aber zul. Gesamtgewicht Anhänger nie größer als die gebremste Anhängelast des Zugfahrzeugs\“
Bezieht sich die Anhängelast nun auf die 8% oder 12%?
LG Daniel
Hallo Daniel,
das hängt davon ab, wo Du langfahren willst … wenn Du nach Holland fährst, wirst Du wohl nirgendwo die 8% überschreiten, und Du kannst die Gewichte auf 2to auslegen. Wenn Du dann an einen Abschnitt mit >8% Steigung gerätst (im öffentlichen Straßenverkehr), bist Du überladen. Oder wenn bspw. die Feststellbremse auf der Sliprampe kapituliert, könnte die Versicherung Dir eine Überlastung nachweisen.
Ich habe mal ein bisschen gesucht, mehr als 8% scheint auf Autobahnen sehr selten, wenn nicht sogar ausgeschlossen zu sein. Zufahrten zu Campingplätzen am Gardasee oder im Sauerland ist was anderes, da ist auch 12% keine Obergrenze …
Grüße,
Andreas
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