Verbrauch von Motorbooten – Glaubensfrage?

„Was verbraucht Dein Boot denn so?“ – das ist eine Frage, über die Laien wie Profis gleichermaßen regelmäßig in Streit geraten.  Dabei ist die Frage – anders als beim Auto – bei Gleitern nicht trivial zu beantworten. Zuviele verschiedene Faktoren spielen eine Rolle (mehr als beim Auto), die den Verbrauch beeinflussen:

Einflussfaktoren auf den Verbrauch

  • Gewicht und Rumpfform des Bootes
    Klar – je schwerer ein Boot ist, desto mehr Wasser verdrängt es, und umso mehr Kraft muss aufgebracht werden, um in Gleitfahrt zu kommen (und zu bleiben).
    Aber auch die Rumpfform ist entscheidend: ein rauwassertaugliches, tiefes V (also ein spitzerer Winkel am Heck) sorgt für mehr Laufruhe auch bei Seegang, erhöht aber die zu investierende Kraft für gleiche Fahrleistungen.
  • Trimmung
    Das ist ein Effizienzthema: ist ein Boot schlecht getrimmt, also die Gewichtsverteilung suboptimal und/oder die Richtung des Propellerstrahls zu hoch oder zu niedrig, verpufft ein Teil des Vortriebs wirkungslos, der Verbrauch steigt.
  • Abstimmung des Propellers
    Das ist, als würde ein Verbrauchstest beim Auto ausschließlich im zweiten Gang durchgeführt: ein zu großer oder kleiner, zu steiler oder flacher Propeller sorgt dafür, dass der Motor außerhalb seines optimalen Drehzahlbands läuft. Da ein Boot kein Mehrganggetriebe mit unterschiedlichen Übersetzungen hat, ist das ein erheblicher Faktor für den Verbrauch.
  • Motordesign
    Verschiedene Aspekte des Motordesigns spielen ebenfalls eine Rolle: so läuft ein einkreisgekühlter Motor permanent ein wenig zu kalt für ein optimales Verbrennungsergebnis (bei höheren Temperaturen würde aber der Kalk ausfallen und die Kühlkanäle zusetzen), ein Einspritzer oder Turbomotor wiederum hat weitere Effizienzvorteile. Ein einkreisgekühlter V8 mit Vergaser(n), dessen ursprüngliches Motordesign auf die amerikanischen PKW-Motoren der 1960er zurückgeht, steht gegen einen VW Marineturbodiesel, der aus den aktuellen PKW-TDIs abgeleitet ist, etwas unwirtschaftlich da.

Insofern ist die Frage nach dem Verbrauch außer durch Messungen nicht wirklich zu beantworten (und wer macht das schon – ist schließlich ein Hobby und keine Messfahrt!) – aber zumindest einzugrenzen.

Verbrauch – theoretische Herleitung I: Gemisch

Zum einen kann man den Verbrauch näherungsweise aus dem Verbrennungsgemisch herleiten:

  • 1 Liter Luft wiegt unter Normbedingungen knapp 1,3 Gramm.
  • Für ein stöchiometrisches Gemisch – ein für die Verbrennung optimales Massenverhältnis aus Luft und Benzin (= Lambda 1) von 14,7:1 – werden somit je Liter Luft 0,088gr Benzin = 0,118ml benötigt, wenn ein Liter Benzin ca. 800gr wiegt.
  • Ein Viertaktmotor füllt bei jeder zweiten Umdrehung den Brennraum mit Gemisch – vier Takte auf zwei Umdrehungen, nur einer davon ist ein Ansaugtakt. Zweitakter entsprechend doppelt so oft.
  • Je Liter Hubraum und je 1.000 U/min werden also beim Viertakter pro Minute knapp 59ml, pro Stunde somit 3,53 Liter Benzin verbraucht.

Ein Viertaktmotor mit 5,0 Liter Hubraum, der eine Stunde lang bei 4.000 U/min mit einem optimalen Gemisch und unter Vernachlässigung des Unterdrucks läuft, wird also gut 66 Liter Benzin ansaugen (gebunden in 600.000 Liter Luft!) und verbrennen. Ein 2,5-Liter-Zweitakter bei 6.000 U/min würde es schon auf fast 100 Liter Benzin in 900.000 Liter Luft bringen.

Das ist eine sehr theoretische Betrachtung, weil sie die Lastkomponente nicht berücksichtigt. Dennoch wird deutlich, das Aussagen wie „braucht ca. 25 Liter pro Stunde bei Volllast“ für einen solchen Motor schlicht Unfug sind.

Das Thema „Luft“ ist dabei übrigens bei Innenbordern nicht zu vernachlässigen – in einem hermetisch abgeschirmten Motorraum mit zwei winzigen Luftansaughutzen ringt ein V8 unter Feuer ständig um Atemluft. Der braucht in obigem Beispiel 10 Kubikmeter Luft pro Minute! Am Steg mit offener Motorklappe und ohne Last rennt er dann natürlich wunderbar …

Verbrauch – theoretische Herleitung II: spezifische Leistung

Genauso ungenau, aber diesmal von der anderen Seite aus gerechnet, kann man sich dem Thema mit dem Energiegehalt des Treibstoffs nähern.

Kraftstoff hat einen spezifischen Energiegehalt:

  • Benzin (Ottokraftstoff, das ist chemisch kein reines Benzin): 8,9 kWh/l
  • Diesel: 9,8 kWh/l

Dabei ist noch der Wirkungsgrad zu berücksichtigen, den man wie folgt annähern kann:

  • Zweitakter Ottomotor 25 – 32%
  • Viertakter Ottomotor 30 – 35%
  • Diesel 33 – 40%

Nehmen wir die beiden Motoren aus obigem Beispiel, landet der 5-Liter-V8 mit angenommenen 250 PS und 32,5% Wirkungsgrad bei knapp 64 Liter / Stunde Verbrauch, der angenommen 200 PS starke Zweitakter mit 28,5% bei 58 Liter – jeweils bei Abgabe der Höchstleistung.

Es gibt also insbesondere bei dem Zweitakter erhebliche Differenzen. Dennoch führen beide Herangehensweisen zu einem groben Anhaltspunkt, was in Sachen Verbrauch so drin ist. Dabei bitte ich zu bedenken, dass beide Ansätze den Volllastverbrauch zu bestimmen versuchen – also eine Stunde Hebel auf dem Tisch, Motor an der Höchstdrehzahl (= i.d.R. Höchstleistung). Das ist in Verdrängern (und auch Gleitern in Verdrängerfahrt) vollkommen unrealistisch – bei einem Einbauturbodiesel mit 120 PS in einem 20-Tonnen-Verdränger werden zur Fortbewegung mit Rumpfgeschwindigkeit ja nur die typischen 1,2 PS pro Tonne, hier also 24 PS, benötigt. Entsprechend gestaltet sich die abgerufene Leistung und damit der zu erwartende Verbrauch (hier: etwa 7 Liter po Stunde).

Märchenerzähler überführen

Aber insbesondere die zweite Herangehensweise eignet sich, um Verbrauchswerte aus dem Fabelreich zu überführen. Damit ein 4-Takt-Benzinmotor bspw. 25 Liter pro Stunde verbraucht, dürfen im Mittel „nur“ 100 PS abgerufen werden. Damit gleitet ein Gleiter problemlos eine Stunde vor sich hin – selbst bei etwas unruhiger See -, von „1 Stunde Vollgas“ bei einem V8 ist das aber i.d.R. weit entfernt.

Sehr interessant sind diese Ansätze bei meinem Motor, einem 120 PS starken Turbodiesel mit 1,7 Litern Hubraum (Mercruiser 1.7 DTI, wie der Opel-PKW-Motor basierend auf einem Baumuster von Isuzu).

Nach der Herleitung per Umdrehung und Hubraum verbraucht er 23,7 Liter pro Stunde, den Turbolader und die damit signifikant erhöhte Gemischmenge nicht berücksichtigt. Abgeleitet aus der Leistung mit einem optimistisch angenommenen Wirkungsgrad von 40% (ist ja ein relativ moderner Vierventilmotor mit Ladeluftkühlung) komme ich auf 22,5 Liter – also sehr nah beieinander. Und hier mal die Realität dazu:

Praxis: ein Mercruiser 1.7 DTI in freier Wildbahn

Das Boot

  • Chaparral 205 SSe
  • 6,14m lang (20 Fuß halt)
  • Gesamtgewicht ca. 1.650-1.700kg (urlaubsklar mit 2 Personen)
  • rauhwassergeeigneter Rumpf mit relativ tiefem V

Der Motor

  • Mercruiser 1.7 DTI
  • 120 PS Leistung bei 4.400 U/min, 270 Nm Drehmoment
  • Turbodiesel mit wassergekühltem Ladeluftkühler
  • Vierventiler
  • zweikreisgekühlt
  • mechanische Einspritzpumpe

Die Messreihe

  • Fahrstrecke gesamt: 392,6km
  • Motorstunden gesamt: 27,5h
  • daraus folgt Durchschnittsgeschwindigkeit: 14,3 km/h
  • davon in Verdrängerfahrt (Hafenzufahrt, Ruhr; ca. 10km/h): 24h (=87%), 260km (=64%)
  • davon in Gleitfahrt (Rhein; ca. 35km/h): 3,5h (=13%), 133km (=34%)

Unter „Gleitfahrt“ verstehe ich ca. 80% Gas = ca. 3.600-3.800 U/min (Limit wären 4.000-4.400 U/min), das sind mit ca. 35km/h eher unspektakuläre Fahrwerte.

Das Ergebnis

  • Verbrauch (gesamte Saison!): 127,66 Liter (Tankvolumen: 145 Liter)
  • das entspricht 0,33 Liter pro km (0,45 EUR)
  • bzw. 4,64 Liter/h (=6,36 EUR)

Das ist die Realität, aus dem Logbuch der Saison 2011 abgeleitet. Getankt beim Einwintern im Herbst 2011 an der Straßentankstelle für 1,369 EUR / Liter. Der relativ geringe Anteil Gleitfahrt liegt an meinem Nutzungsprofil – ich fahre liebend gern die Ruhr rauf und runter, und die ist nunmal auf 12 km/h beschränkt, und der Motor fühlt sich (als Diesel) auch stundenlang in Standgas pudelwohl.

Die beliebteste Bemerkung zum Thema Verbrauch von Motorbooten ist übrigens „Wenn Du nach dem Verbrauch fragen musst, kannst Du Dir das Boot nicht leisten.“ So unsachlich die Bemerkung auch ist: da ist was dran. Ein Sportboot ist eine der unwirtschaftlichsten Fortbewegungsmöglichkeiten schlechthin: Ein Verbrauch von rund 1 Liter Benzin pro Kilometer in Gleitfahrt ist keine Seltenheit. Ein netter Samstagnachmittag auf dem Rhein kann also problemlos für 100 EUR Benzin verbraten. Da ist ein Motorrad oder ein Cabrio (letzteres bei ähnlichem Kapitaleinsatz und häufiger zu nutzen) ungleich sparsamer.

Aber wer den Bootsvirus hat, stellt diese Überlegung ohnehin erst gar nicht an.