Der Wasserbahnhof Mülheim ist in mehrerer Hinsicht ein Highlight der Ruhr-Tour: bei typischem Bootswetter rappelvoll, eine wunderschöne historische Schleuse und eine etwas ambitionierte Verkehrssituation machen den Wasserbahnhof gleichzeitig interessant und etwas herausfordernd.
Wir haben gerade den Abschnitt der Ruhr, der eine Bundeswasserstraße ist, hinter uns gelassen – genaugenommen an der Schlossbrücke in Mülheim (das ist die breite, mehrspurige Straßenbrücke hinter dem Stadthafen Mülheim und vor der Schleuse Wasserbahnhof). Alles weitere – und dazu zählen auch die nächsten Schleusen – untersteht dem Land und damit der Bezirksregierung Düsseldorf. Damit ändern sich ein paar Dinge.
Bundeswasserstraße vs. Landeswasserstraße
Seit kurzem ändert sich an dieser Stelle etwas sehr wesentliches – nämlich die Führerscheinpflicht. Während auf Bundeswasserstraßen (mit Ausnahme des Rheins als Multi-Anrainer-Strom) inzwischen 15 PS Antriebsleistung bei Motorbooten führerscheinfrei sind, ist dies in der Ruhrschifffahrtsverordnung (RuhrSchVO), die ab der Schlossbrücke anzuwenden ist, nach wie vor auf 3,68 kW (5 PS) limitiert – wie es früher in Deutschland bundesweit war.
Zum anderen sind die weiteren Schleusen auf der Ruhr gebührenpflichtig (wenn auch nicht teuer). Sie sind viel kleiner als die Ruhrschleuse und Raffelberg – hier fahren nur noch Ausflugsdampfer und Yachties. Und auch die Öffnungszeiten sind deutlich kürzer, so machen zwei der drei folgenden Schleusen am Wochenende eine Stunde Pause, was man bei der Törnplanung berücksichtigen sollte.
Schleuse Wasserbahnhof
Schleuse Wasserbahnhof bei Openseamap: Wasserbahnhof
Die Ruhrschleuse Mülheim, direkt am Wasserbahnhof, wurde 1843-1845 gebaut und ist bis heute in Betrieb. 1927 wurde sie umgebaut und 1993/94 saniert. Heute ist sie eine sehr authentisch anmutende historische Backsteinschleuse, in der nicht viel mehr als ein Ausflugsdampfer (der mit Vorrang geschleust wird) oder vier bis sechs Sportboote Platz finden. Sie ist eine der wenigen Schleusen (und die einzige auf der Ruhr), die zwei Wehre gleichzeitig überwindet und deswegen eine sehr großzügig dimensionierte Schleuseninsel ihr Eigen nennt.
Die Schleuse ist nur telefonisch unter 0208-32889 zu erreichen (auf dem früher mal gültigen UKW-Kanal 22 reagiert niemand mehr) und ist werktags von 07:30 – 16:30h, an Wochenenden und Feiertagen von 09:00 – 19:00h (April und Oktober: bis 18:00h) in Betrieb. Im Winter (November bis März) wird nur werktags und dann auch nur nach Voranmeldung mit einem Tag Vorlauf geschleust.
Der Schleusvorgang kostet (wie bei allen folgenden Schleusen auch) für Sportboote 2,50 EUR für einzeln geschleuste Boote, 1,50 EUR je Boot bei zwei Booten und 1,- EUR je Boot bei mindestens drei Booten und wird vom Schleusenwärter in der Bergposition vor Ort kassiert.
Die Ruhrschleuse Wasserbahnhof bei Wikipedia: Ruhrschleuse Wasserbahnhof
Warten und Pausieren
Auf der Talseite ist am Ostufer ein Wartesteg, an dem einige Boote Platz finden (bitte platzsparend festmachen, hier ist manchmal reger Bedarf!). Von dort kann man auch zu Fuß über die Brücke bereits zum Wasserbahnhof laufen, beispielsweise um mitfahrende Gäste schonmal zur WC-Pause zu schicken oder ein Eis zu besorgen (wenn man dies nicht im Stadthafen gemacht hat). Im Wasserbahnhof gibt es eine saubere WC-Anlage, die zum Restaurant gehört, aber manchmal durch den großen, halbrunden Eingang auch zu erreichen ist, ohne sich quer durchs Restaurant zu schlängeln. Um fair zu sein, müsste man dann hier auch etwas verzehren, was angesichts von fehlenden Liegeplätzen ein bisschen schwierig ist.
Die WC-pausierenden Gäste kann man nach dem Schleusvorgang oben auch wieder einladen.
Schleusen
Der Wasserbahnhof ist ein wesentlicher Teil der Mülheimer Naherholung, und wenn das Wetter es zulässt, fällt das halbe Ruhrgebiet hier ein. Der Ruhrtalradweg verläuft über die Schleuseninsel, das Restaurant „Franky’s im Wasserbahnhof“ bietet einen Biergarten, eine Cocktailbar und natürlich auch einen normalen Restaurantbetrieb – hier ist eigentlich immer etwas los. Auch das Haus Ruhrnatur befindet sich auf der Schleuseninsel. Ein paar Sportboote in der historischen Backsteinschleuse sind dann nur noch das i-Tüpfelchen, und es finden sich immer reichlich Schaulustige. Um heimlich das Schleusen zu üben, ist das hier definitiv der falsche Ort.
Versuche auf jeden Fall, auf der Westseite (steuerbords) festzumachen – die Ostwand ist durch eine Treppe unterbrochen, deren Ausschnitt mit steigendem Wasserstand unhandlich groß wird.
stromaufwärts
Nach der Ausfahrt auf der Bergseite (nach Süden) mündet die Schleuse direkt in den Schleusenkanal, in dem unter anderem das Stromaufsichtsboot „MS Bussard“ liegt (dauerhaft, nimmt i.d.R. nicht am Schleusenbetrieb teil) und die Ausflugsschifffahrt ihren Halt und einen Wendepunkt hat. Hier gilt Stillliegeverbot für Sportboote, und es ist empfehlenswert, dies auch zu beherzigen – uns hätte das fast mal unser Boot gekostet, weil ein Ausflugsdampfer bei seinem Wendemanöver nur noch sportliche 50cm Manövrierraum hatte. Die Weiße Flotte fährt hier mit dem Bug in die kleine Bucht an steuerbord und dreht dann über backbord, dafür braucht sie nahezu die gesamte Strombreite. Ab Ausfahrt Schleuse bis zum Ende des Richtungsverkehrs (da kommen wir gleich zu) gilt übrigens eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 6 km/h über Grund, und im Schleusenkanal dürfen auch nur schleuswillige und -bereite Boote fahren – siehe RuhrSchVO.
Etwa 400m weiter, nach der Ausfahrt aus dem Schleusenkanal, gibt es am Westufer die Möglichkeit, anzulegen und Pause zu machen (allerdings direkt und ungeschützt am Ruhrtalradweg). Von hier kann man in wenigen Minuten zum Wasserbahnhof laufen – Stichwort WC.
Nach weiteren 600m ist auch das zweite Wehr erreicht, und die Ruhr öffnet sich zu einem kleinen See. Hier kann man vor dem Südwestufer ankern – allerdings nicht an Land gehen. Aber vor Anker liegt man in der langsamen Strömung mit ausreichend Abstand zur Fahrrinne und mit trotzdem ausreichend Wassertiefe, so dass man hier auch baden gehen kann. Im Nordostbereich verläuft die Fahrrinne, hier übrigens nach Fahrtrichtung getrennt, und es gilt immer noch 6 km/h Limit über Grund. Kleinfahrzeuge ohne Maschinenantrieb – also vor allem Paddler – sind hier verpflichtet, außerhalb der Betonnung nach Südwest versetzt zu fahren (was sie in den seltensten Fällen auch tun).
auf nach Essen!
Im weiteren folgt die Vorbeifahrt an verschiedenen Kanuklubs und dem Yachtklub in Mülheim, wo man es – abhängig von der eigenen Heckwelle – ein bisschen ruhiger angehen lassen sollte. Das muss man auch für den Rückweg berücksichtigen, wenn man unbedingt einen Schleusvorgang erwischen muss. Bei hohen Temperaturen sind die Stege oft überfüllt mit Jugendlichen, die in der Sonne liegen und die Stege schon ohne Dein Zutun an die Grenzen ihres Auftriebs bringen. Ob Deine Heckwelle für eine willkommene Abkühlung oder nasse Handtücher und entsprechende Empörung sorgt, kriegst Du besser selbst `raus.
Im weiteren verlassen wir das Stadtgebiet von Mülheim (geografisch, wenn auch nicht politisch – bis Mintard gehört die Umgebung zu Mülheim, aber es wird jetzt schnell wieder ländlicher). Gut 600m hinter der Mendener Brücke (das ist die zweite große Straßenbrücke von Mülheim) könnte Dir noch die Hahnenfähre (Fußgänger & Radfahrer) begegnen, die – als Fähre – Vorrang hat.
Der weitere Verlauf ist einer der reizvollsten, kann aber in Zusammenhang mit Ausflugsdampfern im Gegenverkehr und/oder anwohnenden Campern im Badeboot etwas tricky werden. Die Ruhr führt hier unter der Mintarder Ruhrtalbrücke (A52 Essen – Düsseldorf) durch in Richtung Essen. Die Fahrrinne ist hier betonnt (aus gutem Grund!) und nicht beliebig breit, und so wird es schonmal etwas aufregender, wenn die Ausflugsschifffahrt entgegenkommt. Der Campingplatz steuert dann noch Kinder und Erwachsene mit unterschiedlicher Disziplin in Badebooten oder Schwimmringen bei. Da bist Du als Motorbootskipper gefragt, halbwegs umsichtig unterwegs zu sein.
Die Strecke bis Kettwig zieht sich (9 km zwischen den Schleusen Wasserbahnhof und Kettwig), und in Verbindung mit den 12 respektive abschnittsweise 6 km/h Geschwindigkeitsbegrenzung ist eine Stunde Fahrzeit einzukalkulieren. In Gleitfahrt geht’s drastisch schneller, ist aber keine Option.
Eine handliche Übersicht der Ruhr inkl. Kartenmaterial (Openstreetmap) und Details zu den Schleusen findest Du hier als Download (PDF, in DIN-A5 ausdruckbar).
Dieser Abschnitt endet an der Talseite der Schleuse Kettwig am Wehr des Kettwiger Sees, weiter geht’s mit eben dieser: Schleuse Kettwig