Immer wieder für Verwirrung sorgt das Thema Führerscheinpflicht – wann gilt für wen welche Führerscheinpflicht, und wie sieht das mit in Deutschland fahrenden Ausländern und im Ausland fahrenden Deutschen aus? Ein Versuch, Licht ins Dunkel zum Thema Sportbootführerschein zu bringen.
Die Führerscheinpflicht für Sportboote in Deutschland begann lange Zeit jenseits 5 PS Motorleistung, formaljuristisch: „mit nicht mehr als 3,68 kW Motorleistung an der Propellerwelle“. Es gibt eine Reihe von Motoren mit der Verkaufsbezeichnung „6 PS“, die diese 6 PS an der Kurbelwelle erreichen und an der Propellerwelle trotzdem unter den 3,68 kW liegen und somit führerscheinfrei sind. Ein gutes Werkzeug zur Beurteilung der Führerscheinfreiheit war die sogenannte Freiliste – wobei nicht nur die dort aufgeführten Motoren führerscheinfrei waren; für alle anderen war der Nachweis aber gegebenenfalls anstrengend.
Streiche 5 PS, setze 15 PS
Am 26.01.2012 hat der Deutsche Bundestag jedoch beschlossen, die Führerscheingrenze auf 15 PS anzuheben. Mit Wirkung zum 17.10.2012 ist das in nationales Recht umgesetzt, mit Ausnahme des Rheins sowie der Elbe im Bereich des Hamburger Hafens (dort bleibt es vorerst bei 5 PS). Damit hat Deutschland nicht länger die schärfsten Führerscheingesetze Europas, sondern im internationalen Vergleich nachgezogen.
Allerdings steckt die Tücke hier im Detail: für Wasserstraßen unter Landeshoheit, bspw. die Ruhr ab Mülheim a.d.R., kann das jeweilige Land abweichende Führerscheinregeln vorsehen. Auf besagter Ruhr gilt beispielsweise nach wie vor eine Führerscheinpflicht ab 5 PS (geregelt in der nicht angepassten, hier gültigen Ruhrschifffahrtsverordnung), allerdings nur auf dem Abschnitt unter Landeshoheit – danach gilt Bundesrecht mit 15 PS Führerscheinpflichtgrenze.
Sportbootführerschein Binnen
Die weitere Differenzierung der Führerscheine ist das Revier: Es gibt den amtlichen Sportbootführerschein (offizielle Abkürzung: „SBF“) in den Ausprägungen „Binnen“ und „See“.
Der erstere berechtigt in der Version „unter Motor“ zum Führen von Sportbooten bis 20m Länge über alles (ohne Berücksichtigung von Ruder und Bugspriet bei der Längenbestimmung; bis 17.10.2012 waren es 15m) auf Binnenwasserstraßen. Eine Ausnahme bildet der Bodensee – er erfordert, obwohl binnen, das Bodenseeschifferpatent, wobei Inhaber des SBF Binnen für vier zusammenhängende Wochen im Jahr auf dem Bodensee fahren dürfen („Ferienpatent„). Dazu müssen sie beim Schifffahrtsamt in Friedrichshafen, Lindau oder Konstanz ein Urlaubsbodenseeschifffahrtspatent beantragen. Hintergrund dieser Sonderregelung ist der Umstand, dass der Bodensee mit drei Anrainerstaaten vergleichsweise international ist.
Für Boote über 20m gelten revierspezifische Regelungen, bspw. das Sportpatent für den Rhein, das jedoch auf Teilstrecken beschränkt werden kann.
Zur Erlangung des SBF Binnen muss man eine theoretische (schriftliche) Prüfung (Multiple Choice) und eine praktische Prüfung ablegen. Die vorherige Teilnahme an einem Ausbildungskurs ist nicht verpflichtend, aber m.E. eine gute Idee. Andernfalls wird es auch schwierig, ein Boot für die Prüfung zu stellen – der Prüfungsausschuss bringt nämlich keins mit. Entsprechende Kurse gibt es in professionellen Sportbootschulen (die dann auch ein eigenes Boot für die Ausbildung und die Prüfung haben), oft auch an den Volkshochschulen, bei regionalen Sportverbänden und auch in Vereinen. Manchmal ist es regional üblich, dass Praxis und Theorie stark getrennt werden (und man sich bei unterschiedlichen Betrieben ausbilden lassen kann/muss) – so bspw. teilweise in Düsseldorf. Hier hilft nur vergleichen.
Sportbootführerschein See
Der Sportbootführerschein See – früher einmal „Küste“ – ist im Prinzip vergleichbar. Er berechtigt zum Führen von Sportbooten auf Seewasserstraßen, hier sogar ohne Längenbegrenzung. Was dabei eine Binnenwasserstraße und was eine Seewasserstraße ist, legt dabei das Gesetz (hier: Binnenwasserstraßen) fest – Flüsse wie Elbe und Weser wechseln „von Gesetz wegen“ an einer definierten Stelle (i.d.R. einer Brücke) von der Binnenwasserstraße zur Seewasserstraße, einzelne Gewässer wie der Nord-Ostsee-Kanal sind, obwohl schon irgendwie binnen, komplett Seewasserstraße (sonst müsste jeder passierende Kapitän ein Binnenpatent haben), und wieder andere Reviere wie der Hamburger Hafen dürfen sogar mit beiden Führerscheinen befahren werden.
Die Prüfung zum Sportbootführerschein See umfasst ebenfalls Theorie und Praxis, erstere im Vergleich zum Sportbootführerschein Binnen insbesondere um ein wenig Wetterkunde sowie Navigation erweitert. Die Praxisprüfung enthält gegenüber der Binnenversion eine einzige weitere Aufgabe, nämlich das Fahren nach Kompass – was mit einem Magnetkompass in einem kanalisierten Binnengewässer (bei mir: Kanalhafen mit Stahlspundwand und der damit verbundenen Ablenkung von gut 30 Grad) lustige Seiteneffekte haben kann und wenig praxisgerecht ist.
Macht man Binnen und See zusammen oder erst See und in der Zukunft Binnen, genügt eine praktische Prüfung; erst Binnen, dann See erfordert hingegen eine erneute praktische Prüfung (wg. besagter Zusatzaufgabe – Kompass).
Außerhalb der nationalen Hoheitsgewässer gibt es – systembedingt – keine Führerscheinpflicht: wer sollte sie festlegen und überwachen?
Schiffsführer vs. Rudergänger
Im Gegensatz zum Straßenverkehr differenziert das Gesetz auf dem Wasser zwischen dem verantwortlichen Schiffsführer („dem Skipper“) und dem Rudergänger. Letzterer lenkt das Boot, ist aber quasi dem Schiffsführer gegenüber weisungsgebunden. Beide müssen körperlich und geistig tauglich sowie mindestens 16 Jahre alt sein und dürfen nicht unter dem Einfluss alkoholischer Getränke und sonstiger berauschender Mittel stehen, die Führerscheinpflicht gilt jedoch nur für den Schiffsführer. Er muss auch jederzeit in das Geschehen eingreifen können. Insofern ist es aber vollkommen zulässig, Mitfahrende das Ruder übernehmen zu lassen, wenn es die Verkehrssituation zulässt. Das ist super geeignet, um Interessierte für das Bootfahren zu begeistern oder private „Ausbildungsfahrten“ zum Üben zu machen.
Sportbootführerschein Prüfungsvoraussetzungen
Die Prüfung zum Sportbootführerschein unter Motor darf in Deutschland ablegen, wer 16 Jahre alt ist (resp. innerhalb von 3 Monaten 16 Jahre alt werden wird).
Die Zulassung zur Prüfung umfasst eine einfache Gesundheitsprüfung, die auf Sehstärke, Farbenblindheit (insb. Rot-Grün-Schwäche) und Gehörleistung abstellt. Bei einer Sehschwäche kann eine Sehhilfe als Voraussetzung in den Führerschein eingetragen werden (eine Ersatzbrille ist dann zusätzlich an Bord mitzuführen), bei Farbenblindheit wird gegebenenfalls die Auflage erteilt, immer einen farbsichtigen Begleiter dabeizuhaben (Farben spielen auf dem Wasser durch die Betonnung eine noch größere Rolle als auf der Straße).
Außerdem ist die Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses – kompensierbar durch einen PKW-Führerschein – erforderlich. Hintergrund hier ist wohl, dass einschlägig Vorbestrafte (Schmuggel, Grenzvergehen) gegebenfalls keinen Sportbootführerschein bekommen.
Wir im Ausland
Was uns im Straßenverkehr selbstverständlich vorkommt, ist auch auf dem Wasser (weitgehend) so: Beide Führerscheine werden international anerkannt. Ein internationales Abkommen regelt dabei, dass für die jeweiligen Staatsbürger die Führerscheinpflichten ihres Heimatlandes gelten, für uns Deutsche also unseren deutschen Gesetze (s.o.). Durch die großen Unterschiede zwischen den Ländern hat das interessanterweise weitreichende Konsequenzen:
- Die Differenzierung Binnen vs. See ist in vielen Ländern (insb. jenen ohne schiffbare Binnengewässer) unbekannt – ein Sportbootführerschein Binnen hat in vielen Ländern gar keine Entsprechung und wird dort häufig auch für Seegebiete anerkannt, erfüllt aber die formal existierende Führerscheinpflicht nicht.
- In Ländern ohne Führerscheinpflicht oder mit großzügiger Führerscheinfreiheit – bspw. Niederlande bis 15m bei max. 20km/h bauartbestimmter Höchstgeschwindigkeit – würde das gegenseitige Abkommen für Deutsche eine strengere Führerscheinpflicht als für Einheimische ergeben; besagte Boote (<15m, <20km/h) sind in den Niederlanden jedoch auch für Ausländer führerscheinfrei. Das regelt jedoch das jeweilige Land für sich selbst und ist keine Grundregel!
- Im Ausland erworbene Führerscheine, beispielsweise in Kroatien, sind für deutsche Staatsbürger international nahezu wertlos. Sie werden oft im ausstellenden Land und ggfs. noch den Nachbarländern anerkannt, aber erfüllen i.d.R. die gesetzliche Führerscheinpflicht formal nicht (Beispiel: kroatischer Führerschein eines Deutschen in Griechenland).
Mit dem Sportbootführerschein ist es also paradoxerweise so, dass es leichter ist, einen deutschen Sportbootführerschein Binnen oder einen im Ausland erworbenen Führerschein beim Chartern im Ausland als Befähigungsnachweis anerkannt zu bekommen, als die formale Führerscheinpflicht zu erfüllen. Das kann bei einer amtlichen Kontrolle oder im Falle eines Versicherungsfalles bitter enden.
Mit der Novelle (s.o.) sind jetzt also plötzlich 15-PS-Boote im Ausland für uns führerscheinfrei – und 15 PS ist eine international viel gängigere Größe als unsere heutigen 5 PS.
Umgekehrt gilt das gleiche: ein Ausländer in Deutschland unterliegt erstmal seiner nationalen Führerscheinpflicht – wenn das bedeutet „führerscheinfrei“, darf er in Deutschland Boote ohne Führerschein fahren, für den wir Deutsche einen Sportbootführerschein bräuchten. Verlegt er seinen Wohnsitz nach Deutschland, sieht es anders aus: ein guter Bekannter (Däne) musste den deutschen Sportbootführerschein Binnen ablegen, darf im Seebereich jedoch weiterhin ohne Führerschein fahren.
Mir ist im Übrigen keine legale Möglichkeit bekannt, einen deutschen Sportbootführerschein (vor einem deutschen Prüfungsausschuss abgelegt) im Ausland zu bekommen. (Update 23.10.2017:) Das soll sich aber mit der anstehenden Novelle (u.a. Zusammenlegung der Führerscheine zu einem Dokument in Scheckkartenformat) ändern.
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